Dinesh Juckoff
Therapeut und spiritueller Lehrer.
Seit 1979 Seminarleiter für Meditation und Selbstwahrnehmung.
1972 bis 1980 Mitaufbau und Mitarbeit im ZIST (Zentrum für Individual- und Sozialtherapie), dem ersten Zentrum für humanistische Psychotherapie in Deutschland. Dort Ausbildung und Lehrjahre bei führenden Vertretern von Gestalt- und Bioenergetik und transpersonaler Psychologie.
1978 ein Jahr in Poona (Indien) bei dem spirituellen Meister Bagwan Shree Rajneesh.
Seit 1980 Mitaufbau des Sufi-Zentrums Haus Schnede in der Lüneburger Heide, dort 6 Jahre tätig.
1991 Begegnung mit Bert Hellinger. Seitdem sind Familienaufstellungen ein integraler Bestandteil seiner Arbeit. Im selben Jahr Wiederbegegnung mit Paul Lowe und von ihm inspiriert.
Familienstellen nach Hellinger
Über die Bedeutung von Schuld und Schuldgefühlen und die Tradition in Familiensystemen
Schuld und Schuldgefühle sehe ich als lebensfördernd und nicht als lebensbehindernd an. Die meisten Teilnehmer meiner Seminare wollen ihre Schuldgefühle loswerden. Ich bevorzuge die Richtung, wirkliche Schuld als etwas Reales anzuerkennen oder Schuldgefühle wirklich zu fühlen, und es ist Arbeit dahinzugelangen. Je lebendiger jemand ist, desto größer ist das Risiko, schuldig zu werden im Sinne von Erweiterung und Grenzüberschreitungen. Damit meine ich Grenzen der Tradition und Grenzen der Treue.
In Beziehungen gibt es Verhaltens-Traditionen, z. B. Unehrlichkeit. Wer diesen Traditionen treu bleibt, stagniert in seinen Beziehungen. Indem man der Tradition "untreu" wird, eben auch mit dem Gefühl der Untreue und des Schuldigwerdens, kann eine unlebendige Beziehung wieder lebendig werden. Entgegen der Tradition kann ein Partner z. B. sagen: Ich möchte jetzt allein sein, oder: Ich möchte jetzt etwas von dir oder: Bitte hilf mir…
Kinder sind Familientraditionen treu, ja müssen ihnen treu sein, um sich zugehörig zu fühlen. Als Erwachsene führen sie dann auch ungesunde Traditionen fort, wie zum Beispiel das "Nicht-Anerkennen der Eltern". Wenn ein Sohn seinen Vater nicht anerkennt, oder sogar verachtet, hat dieser oft seinen eigenen Vater nicht anerkannt, bzw. verachtet. Nach Hellinger wäre das die Tradition, "die Eltern nicht zu nehmen".
Als die Aufstellung begleitender Therapeut mute ich nun dem Klienten ein Paradox zu: Sowohl das Kind zu sein, das einfach und unbedingt in Tradition und Linie der Generationen steht, als auch sich bewusst mit Achtung vor den Eltern, die in dieser Tradition stehen, zu verneigen; sowohl der Kleinste und Nachgeordnete zu sein, als auch der, der schlimme Tradition ins Gute wendet. Und dies auch rückwirkend für die Ahnen mit.
Das erschütterndste Beispiel für mich ist, wenn Enkel oder Urenkel von Nazi-Tätern und -Opfern die Bewegung der Versöhnung einleiten können, indem sie sich trauen hinzuschauen, Opfer und Täter zu sehen und sich in Demut mit dem vollen Gefühl vor dem Schlimmen zu verneigen. Dann kann das Schlimme da bleiben, wo es hingehört, nämlich bei denen, die es bereits erlebt haben. Es darf dann vorbei sein und die Lebenskraft der Vorfahren kann in Enkeln und Urenkeln wieder frei fließen. Ich sehe Nazi-Täter und -Opfer, auch die erste Nachfolgegeneration und z. T. auch noch die Zweite, in einer Art Erstarrung, in der das Furchtbare nicht voll gefühlt werden kann. Für mich ist das Erstaunliche und auch immer wieder das Tröstliche, dass das Leben auch hier weitergeht.
Zum Schluss ein Lieblingssatz von Hellinger:
"Das Unglück hat ein Bedürfnis, nämlich vorbei sein zu dürfen. Auch das Glück hat ein Bedürfnis, nämlich wachsen zu wollen."